Dokumentarfilm von Jörg Adolph und Gereon Wetzel
(84min, DigiBeta, 16:9, Deutschland 2007)
„Spannend und aufschlussreich: Wie ist umzugehen mit dem Rohstoff Wirklichkeit? Wo hört das Dokumentarische an, wo fängt das Theatrale an? Wo vermischt sich beides, und wie viel verträgt das eine vom anderen?“ (SZ, 27.06.2008)
Die Autorin Mirjam Neidhart interviewt Menschen über das Thema Kinderwunsch, und die Regisseurin Simone Blattner probt mit sechs Schauspielern am Hamburger Thalia Theater, um dieses dokumentarische Material auf der Bühne lebendig werden zu lassen. Aber wie viel Authentisches verträgt das Regietheater? Ein doppelt dokumentarischer Blick auf die Schwierigkeiten von Reproduktion – im Leben und auf der Bühne.
Zwischen Familienromantik und Kinderfeindlichkeit, zwischen Babymanie und Kinderphobie spannt sich heute ein gesellschaftlicher Diskurs, der die private Frage nach den individuellen Fortpflanzungswünschen ins Zentrum öffentlicher Ausein-andersetzung stellt. „Sein oder Nicht-Sein“ wird im Kurzschluss von Frank Schirrmacher & Co zur Frage von Kinder haben – oder nicht.
„Worüber reden wir eigentlich?“ fragt sich die Autorin Mirjam Neidhart: „Wir reden über Zahlen, wir reden über Anschuldigungen, aber wir reden nicht darüber, was Menschen tagtäglich beschäftigt.“ Aus diesem Mangel heraus, interviewt sie quer durch Bewusstseins- und Altersschichten Menschen zum Thema Kinderwunsch und versammelt Stimmungen und Geschichten in ihrem Theaterstück.
Das Theater indes führt seinen eigenen Diskurs mit dem Rohstoff Wirklichkeit. Bei der Arbeit an dem Stück drängt sich immer wieder die Frage auf, wie man es selbst mit den Kindern hält und was der Text mit dem eigenen Leben zu tun hat. Die Schau-spieler und die Regisseurin sind gespalten zwischen „die Geschichten ernst nehmen“ und „nicht zu langweilen“, zwischen „notwendiger Intimität“ und „falscher Betroffenheit“. Denn die individuellen Schicksale lassen sich nicht so einfach in eine theatrale Form bringen und die erhoffte Authentizität erweist sich im Prozess der Inszenierung als flüchtig.
„Die Reproduktionskrise“ bringt Schauspielarbeit und echte Menschen in einen fiktiven Dialog, konfrontiert Theaterleben mit authentischen Lebensgeschichten, erzählt vom Dokumentarischen im Theatralen und vom Theatralen im Dokumentarischen.
Auszeichnungen
UA: Münchner Filmfest 2008 („Neue Deutsche Kinofilme“)
Infos
Filmkopie unterstützt von Elektrofilm
und gefördert vom FFF Bayern
Texte und Interviews:
Mirjam Neidhart, Stück „Torschusspanik“
Musik: Tied & Tickled Trio
Schauspieler
Verena Reichhardt,
Stephan Schad,
Sylvia Schwarz,
Victoria Trauttmansdorff
Credits
Regie: Jörg Adolph, Gereon Wetzel
Drehbuch: Jörg Adolph (Konzept), Gereon Wetzel (Konzept)
Schnitt: Jörg Adolph, Gereon Wetzel
Ton-Design: Ansgar Frerich, Florian Beck
Mischung: Ansgar Frerich, Florian Beck
Musik: Tied & Tickled Trio
Produktionsfirma: if… Productions (München)
in Zusammenarbeit mit Goethe-Institut (München)
Produzent: Ingo Fliess
Redaktion: Petra Felber (BR), Frank Werner (Goethe-Institut)
Filmförderung: FilmFernsehFonds Bayern GmbH (FFFB) (München)